Ton für Video - Location Sound
Diese Übersicht fasst die wichtigsten Punkte zu Aufnamen “on Location”, resp. Fieldrecording zusammen, aufgeteilt in Preproduction, Production und Postproduction. Sie ist auch als PDF zum Ausdrucken verfügbar: Grundlagen_Videoton_Konzept-Pre-Post_16.pdf
1. Einführung
Film ist zu 50% Sound (David Lynch, George Lucas...).
Fragestellungen
- Wie gestalte ich die Tonspur eines kurzen Videos, welches einerseits eine „reale“ Anwendungssituation zeigt, andererseits ein Konzept verdeutlicht?
- An welchen audiovisuellen Stilen orientiere ich mich dabei (Spielfilm / Dokumentarfilm / RealityTV / Werbung...)
- Wie kann ich Ton nutzen um die Erzählung zu unterstützen?
- Wie kann ich den Ton nutzen um mehr Möglichkeiten auf Bildebene (und umgekehrt) zu haben?
Text dazu: Randy Thom, Designing a Movie for Sound http://filmsound.org/articles/designing_for_sound.htm
Einige Funktionen der audiovisuellen Narration:
- Erzeugung von Glaubwürdigkeit und Realismus durch Klang
- Rhythmisierung / Vektorisierung des Bildes
- Diegese: Ist ein Klang Teil der dargestellten Welt?
- Erzählperspektive, Kameraperspektive, Klangperspektive
- Klangsemiotik: Klänge und Musik als Zeichen (zB. Ticken = Zeit), „Bedeutungspotentiale“
- Klangsemantik: Material / Bewegung / Raum, Setting, Szenographie / Symbole / Keysounds...
Literatur:
Michel Chion (1994) Audio-Vision: Sound on Screen
Theo van Leeuwen (1999): Speech, Music, Sound
Barbara Flückiger (2001): Sounddesign – Die virtuelle Klangwelt des Films.
Beispiele zur Diskussion:
- Intros Apocalypse Now (Coppola, 1979), & Stranger than Fiction (Forster 2006)
2. Pre-production
2.1. Audiovisuelles Storybording, Spotting
- Scripting
- Storyboarding (audiovisuell)
- Spotting sounds: Soundbestimmung für einzelne Einstellungen gemäss Skript / Storyboard
2.2. Aufnahmeplanung
- Location: Zugang, Soundscape
- Foley: Geeigneter Raum (ruhig, gedämpft...)
- Effekte / Sound Design Rohmaterial
- Set Dialog
- Voice Overs / Dialogue Replacement
2.3. Mikrofon: Technik und Anwendung
REGEL Nr. 1: What you hear is NOT what you get!
- Mikrofon ist kein Kameraobjektiv.
- Mikrofontypen (Dynamisch, Kondensator, Elektret)
- Professionelle Anschlusstecker: XLR. Vorteile: Erdung, Abschirmung, Stabilität. Wenn verfügbar, immer bevorzugen!
- Richtcharakteristiken: Kugel/omni, Niere/Cardioid, Hyperniere/Hypercardioid, Shotgun, Grenzflächenmic.
- Beispiele: Sennheiser me64 & me67
- Stereovarianten: A-B, Acht, XY
- Beispiel: Rode NT 4
- Mono (Dialog, Effekte..)
- Stereo (Atmos, gewisse Dialogsettings bei statischer / perspektivischer Mikrofonierung)
- Klangveränderung durch Distanz & Ausrichtung.
- Phantomspeisung 48v bei Kondensator Mikrofonen: über Schaltung oder Batterien
Entscheidung Mic Wahl für Dialoge (Priorität: Sound Qualität, Natürlichkeit, Aufwand, Verlässlichkeit):
- Hyperniere oder Shotgun mit boom, über Kopf
- Hyperniere oder Shotgun mit boom, unter Kopf
- Niere, Hyperniere,Grenzfläche oder Shotgun im Set (abhängig von Umgebungsgeräuschen und Platzierungsdistanz)
- Lavalier im Set (verkabelt)
- Lavalier auf dem Protagonisten (verkabelt)
- Wireless Lavalier
Manchmal macht Kombinieren Sinn, damit man Fehler ausbügeln kann.
Es lohnt sich, zusätzlich zur Nahmikrofonierung eine etwas distanziertere Mikrofonierung oder eine Raummikrofonierung (Stereoatmo) mitzuschneiden.
Bei gewissen Settings (zB. Gesprächsaufzeichnung, diskrete Umgebung) sind Lavaliers die erste Wahl.
„Booming“ mit Tonangel
- Macht Sinn, um die natürliche Kraft einer Performance zu bewahren
- Kann auch für SFX Recording sinnvoll sein ("mitfahren", oder entfernte Quellen)
- Braucht ein "Operator".
- Shockmount benutzen (gedämpfte Mikrofonaufhängung / "Spinne")
- Micwahl: Engere Richtcharakteristik = sensibler für Bewegungstracking
- Boom Ausrichtung: von vorne oben richtung Mund ideal. Höchstens zwei nahestehende Personen können so aufgenommen werden
Lavaliers (von Louise de La Vallière)
- Vorteilhaft bei Gesprächsaufzeichnung. Nachteil: müssen manchmal versteckt werden, und sie klingen nicht so gut wie zB ein gutes Boom Mic. Wenn ein Lav falsch montiert ist, können Kleidergeräusche die Aufname völlig zerstören. Je näher desto weniger "natürlicher" Raumklang -> kann durch gleichzeitige Aufname mit Raummic kompensiert werden.
- Richtige Fixierung zentral
- Richtcharakteristik normalerweise Omni, Ausrichtung nicht so wichtig.
- Mögliche Kopfbewegungen berücksichtigen: Je mehr Freiheit nötig, desto weiter weg vom Mund. Manchmal werden auch zwei Lavs montiert
- Kabelentlastung gewährleisten (zB durch Kabelbefestigung an den Kleidern)!
- Klebestreifen / Gaffer tape hilft das Lav so zu montieren dass es nicht gegen Kleider reibt (Achtung: Kleberesten!).
- Lavs als statisches Mic ist auch sinnvoll, aber nur wenn Quelle nah genug ist
3. Production: Auf dem Set / on Location
REGEL Nr. 2: Trash In, Trash Out (und 2b: You Can't Fix it in Post)
3.1. Aufnahme
- One minute of silence! Atmotrack, Room Tone
- Immer monitoring mit Kopfhörer! Wenn immer möglich sollte eine separate Person das Recording betreuen!
- Nicht "on camera" Mic verwenden! (ausser es ist gewollte Ästhetik, oder es wird ein Sync Guide Track benötigt)
- Video Standard meistens WAV, 48Khz / 24 Bit -> Mindestqualität
- Single oder Double System: Normalerweise reicht der Kamera-interne Recorder, sofern das Mikrofon richtig eingesetzt wird. Wenn zusätzlich ein externer Recorder verwendet wird ("Double System") -> KLAPPE & shotlist & logging. Ein externer Recorder kann zB auch als Backup Track oder für den Ambient mix, oder wenn mehrere Klangspuren notwendig sind, verwendet werden.
- SOUND CHECK! VOR! der Aufname!
- Zuerst Pegel/Gain Prüfen
- Nachpegeln: Nur wenn unbedingt nötig, nie während einem Soundereignis!
- Nur im Notfall automatische Gain Regulierung / Limiting verwenden.
Raumklang & Umgebungsgeräusche:
- Reflexionen und Geräusche sorgfältig vorhören. Mic Position entsprechend optimieren
- In geschlossenen Räumen eher Nieren, im Freien eher Shotguns, mit zusätzlichem Atmo Track
- Immer etwas zu „viel“ Material aufzeichnen (-> „Handles“, Flexibität im Schnitt)
- Disziplin und Systematik bei Ablage und Dateibenennung
3.2. Voice Over / ADR Recording
- In ZHdK Tonräumen (Webstudio oder Aufnahme D)
- Im Selbstversuch Script durchgehen im Hinblick auf Timing, wenn möglich mit Video Rohschnitt (nicht erst mit dem Final Cut)
- Sprecher/in gut briefen. Was soll wie gesprochen werden?
- Probezeit einplanen
- Längere Texte unterteilen. Kontinuität überprüfen
- Aufnahmesituation kontrollieren: Mikrofondistanz & -winkel konstant!
- Sprecherstimme "pflegen": Pausen machen, Wasser bereithalten
- In DAW (zB. Reaper): "Takes" & Comping nutzen: Mehrere Takes übereinander können geschnitten und einzelne Elemente kombiniert werden
4. Postproduction
Sound Library für ZHdK Produktionen:
smb://zhdk;dhug@filer7/SFX (ZHdK Netz & Login)
4.1. Allgemeine Punkte
- Solange Video noch geschnitten wird, Sound nur grob im Schnitt platzieren (Temp Tracks, wichtige Sounds wie Dialoge, und Non-Sync sound...)
- Einzelne benötigte Effekte können schon im Voraus gestaltet werden (Sound Design)
- Achtung! Klänge sollten schon von Anfang an im Video Edit berücksichtig werden! Z.T. musss das Video auf den Ton geschnitten werden, nicht umgekehrt!
- Finales Editing, syncing, Mischen und sonstiges Audio-feintuning erst bei fixiertem / abgesegnetem Video!
- Nach definitivem Mischen von Audio auch dieses noch absegnen, vor dem finalen Rendern
- Unterscheiden zwischen Sync und Non-Sync audio
- Unterscheiden zwischen Dialog, Voice, Foley, Effekten, Atmo (Folders)
- Schnitte: i.d.R. wird Sound tendenziell leicht dem Bild vorgezogen. Oft muss ein Klang über eine Schnittfolge (innerhalb einer Szene) durchlaufen
4.2. Sound Mixing für Video in Reaper
- Video window öffnen
- Video in Reaper ziehen (evt. vorher Audiotrack extrahieren, Audio separat importieren)
- (Lautsärke des Videotracks evt. runterdrehen)
- Klänge auf Video editieren (siehe Ablaufplan oben). Snap to grid deaktiviert.
- Marker nutzen für Anspringen von Szenen: 0-9
- Folders und Sub-Folders für Atmo, Dialog, FX, Musik
- Timestretch etc. für Anpassungen nutzen
4.3. Rendering (Übergabe and Videoschnitt)
- "Render Stems" nutzen, um einzelne Spuren in einem Folder zu einem File (mono oder Stereo) zu rendern (zB alle Atmo Komponenten). Kann genutzt werden, um Spurzahl zu reduzieren vor Übergabe an NLE (Non Linear Editor (Video))
- Consolidate / Export spielt einzelne Spuren komplett raus (vom Nullpunkt an). Einfachster Weg für Intergration in NLE
PS: Mit Reaper ist einfacher Videoschnitt / rendering möglich. Geeignet für kurze Tests / Demos.